Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Angebote der frühkindlichen Bildung von Sozialunternehmern stärken und Chancen von Betriebs-Kitas nutzen

I. Ausgangslage

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist von entscheidender Bedeutung für das Wohlergehen von Eltern, Kindern und der Gesellschaft als Ganzes. Wenn Eltern die Möglichkeit haben, ihre beruflichen Verpflichtungen mit ihren familiären Aufgaben in Einklang zu bringen, profitieren sie sowohl persönlich als auch beruflich.

Hochwertige Kinderbetreuungseinrichtungen (Kita) der wesentliche Bestandteil einer familienfreundlichen Politik. Durch die Förderung von Kinderbetreuungsangeboten wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestärkt und Eltern können ihre Karriere vorantreiben, während ihre Kinder in einer unterstützenden Umgebung aufwachsen und optimale Bildungschancen erhalten. Dies trägt zur sozialen Integration und dem Wohlbefinden aller Mitglieder unserer Gesellschaft bei.

Familien unter Druck – Landesregierung schaut zu

In der gegenwärtigen Lage in Nordrhein-Westfalen mit einer sinkenden Wirtschaftsleistung ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter Druck geraten. Eltern werden als Arbeitskräfte dringend benötigt, um die Arbeitswelt am Laufen zu halten, während gleichzeitig die Bedürfnisse ihrer Familien berücksichtigt werden müssen. Unternehmen sind darauf angewiesen, dass ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der vorhandenen Arbeit nachkommen können.

Für viele Familien ist es heutzutage unerlässlich, dass beide Elternteile erwerbstätig sind, weil man sich größere finanzielle Spielräume erarbeiten möchte. Die Zahl der Einzelverdiener wird mittelfristig weiter abnehmen, denn immer mehr Familien möchten ihre finanzielle Situation verbessern und stabilisieren. Entsprechend wollen Teilzeitbeschäftige auch wieder in Vollzeit tätig sein, dies gilt insbesondere für Frauen. Hierbei ist der externe Faktor einer gesicherten Kinderbetreuung maßgeblich. Infolgedessen müssen Eltern und vor allem auch Alleinerziehende darauf vertrauen können, dass ihre Kinder in guten Händen sind, während sie ihrer Berufstätigkeit nachgehen. Es geht um eine hochwertige frühkindliche Bildung, aber auch um eine sichere Betreuung.

Aber in Nordrhein-Westfalen müssen Eltern, Kinder und Unternehmen weiter mit instabilen Verhältnissen jonglieren. Das Platzangebot im aktuellen Kita-Jahr 2023/2024 droht zu kollabieren, da die finanzielle Not bei den Trägern zu groß ist und die 100 Millionen-Überbrückungshilfe der Landesregierung bei weitem nicht ausreicht. Die aktuellen Regelungen des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) haben sich als nicht krisenfest herausgestellt. Angebotseinschränkungen bei den Einrichtungen stehen täglich auf der Tagesordnung. So musste im Februar 2024 jede zehnte der rund 10.700 Kitas in Nordrhein-Westfalen ihr Angebot einschränken.

Diese Unzuverlässigkeit fordert das spontane Organisationstalent der Eltern heraus. Der Ausbau der Kita Plätze in Nordrhein-Westfalen ist zudem auf dem Tiefststand. In Nordrhein-Westfalen fehlen rund 110.400 Kita-Plätze und vor allem ausreichend Fachpersonal. Es wird deutlich, dass in der Kita-Landschaft „Alarmstufe Rot“ herrscht. Es gibt kein Erkenntnisdefizit, aber ein gewaltiges Handlungsdefizit. Die grüne Familienministerin Josefine Paul liefert bisher nur Problembeschreibungen, schaut aber ansonsten tatenlos zu.

Wirtschaft fängt auf, was Politik nicht leistet

Der Ausfall des Angebots der Kita hat dramatische Folgen für unsere Wirtschaft. So zeigt eine deutschlandweite Umfrage der Familienunternehmer, dass die schlechte Betreuungssituation in den Einrichtungen der frühkindlichen Bildung massiv die Wirtschaft schädigt. In 32 Prozent der befragten Unternehmen führt diese zu erheblichen Beeinträchtigungen der Betriebsabläufe. Wenn Betreuungsausfälle in den Einrichtungen aufgefangen werden müssen, können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht arbeiten.

Die immer größer klaffende Betreuungslücke führt dazu, dass Unternehmen selbst verstärkt versuchen, durch eigene Initiativen wie zum Beispiel die Einrichtung einer Betriebs-Kita Entlastung zu schaffen. Wirtschaftsvertreter setzen verstärkt auf die Schaffung eines ortsnahen und bedarfsgerechten Betreuungsangebots im Interesse ihrer Unternehmen, das oftmals auch für Kinder geöffnet wird, deren Eltern nicht im Unternehmen tätig sind. In diesem Zusammenhang bieten vor allem Sozialunternehmer in der frühkindlichen Bildung oder auch privat-gewerbliche Träger als Dienstleister ihre Zusammenarbeit an. Dieses lösungsorientierte Handeln sollte gestärkt und gefördert werden.

Diese Vorhaben erhalten zum Beispiel in Bayern oder auch in Hamburg landeseitig Unterstützung. So wird in Hamburg der Betrieb einer Betriebs-Kita zuschussfinanziert. Zudem können die Unternehmen sich an eine Fachberatung zur betrieblichen Kinderbetreuung beim Sozialamt wenden. Diese unterstützt und koordiniert auch Unternehmenszusammenschlüsse zur Umsetzung einer Betriebs-Kita. So können mehrere Betriebe einer Umgebung (zum Beispiel in einem Gewerbegebiet) die Kita-Plätze für ihre Beschäftigten benötigen gemeinschaftlich ein Angebot aufbauen. Dies ist besonders interessant für kleine und mittelständische Unternehmen, die oftmals nicht die Kapazitäten oder die notwendige Größe haben, um eine eigene betriebliche Kindertagesbetreuung zu ermöglichen. In Bayern werden bei der Einrichtung einer Betriebs-Kita Investitionskosten subventioniert und die Betriebskosten gefördert. Für Nordrhein-Westfalen gilt es hier nachzuziehen und die besondere Bedeutung von privatgewerblichen Trägern und Betriebs-Kitas in diesen herausfordernden Zeiten anzuerkennen.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:

  • Familie und Beruf müssen sich besser miteinander vereinbaren lassen. Davon profitieren besonders Frauen und alleinerziehende Eltern.
  • Kinderbetreuung in Nordrhein-Westfalen muss dafür qualitativ hochwertig und verlässlich sein sowie durch flexible Öffnungszeiten den Bedarfen der Eltern Rechnung tragen. Dies tut sie aktuell nicht.
  • Kitas brauchen mittel- und langfristig stabile finanzielle Planungssicherheit, um ihre Aufgaben angemessen erfüllen zu können.
  • Neben den Einrichtungen in Trägerschaft von anerkannten öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe sind auch die privat-gewerblichen Einrichtungen als Sozialunternehmer in der frühkindlichen Bildung ein wichtiger Baustein einer qualitativ hochwertigen und verlässlichen frühkindlichen Bildung in Nordrhein-Westfalen.
  • Mit betrieblichen Betreuungsangeboten können Unternehmen zur Unterstützung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und im eigenen Interesse ihrer Verantwortung nachkommen.

o Die Rahmenbedingungen für betriebliche Kindergärten in Nordrhein-Westfalen müssen optimiert werden.
o Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf brauchen gerade kleine und mittelständische Unternehmen Unterstützung bei der Organisation von betrieblichen Be- treuungsangeboten.

  • Die Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht nur eine gesellschaftliche Notwendigkeit, sondern auch eine strategische Maßnahme zur Sicherung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, insbesondere angesichts des Fachkräftemangels.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • die bestehende Infrastruktur der Kindertageseinrichtungen durch eine signifikante und an den finanziellen Bedarfen der Träger orientierte Aufstockung der Überbrückungshilfe zu sichern oder zusätzliche Mittel durch das Vorziehen der Dynamisierung der Kindpauschalen für das Kita-Jahr 2024/2025 rückwirkend ab dem 01.01.2024 zur Verfügung zu stellen.
  • den flächendeckenden und bedarfsgerechten Ausbau der Kita-Betreuung unter Berücksichtigung der Inklusion zu beschleunigen und hierbei die Kostenentwicklung der letzten Jahre mitberücksichtigen. Dabei sollen auch Betreuung zu Randzeiten und berufsbedingter Bedarf über Nacht ausgebaut werden. Ziel muss das Modell der Flexi-Kita sein, die mit ihren Öffnungszeiten die individuellen Bedarfe der Eltern widerspiegelt. Hierbei müssen die durch das Kita-Qualitätsgesetz der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mittel konsequent genutzt werden.

o Die Entbürokratisierung des Kita-Ausbaus muss angestrebt werden, wobei die Qualität der Betreuung und der Kinderschutz unberührt bleiben müssen.

  • privat-gewerbliche Träger als Sozialunternehmer in der frühkindlichen Bildung stärker in die Fortentwicklung der Kita-Landschaft mit einzubeziehen und auf Augenhöhe mit den anderen Trägern nachhaltig zu fördern.
  • ein eigenes Förderprogramm „Betriebliche Kinderbetreuung” aufzulegen.

o Hierzu sollen auch in kleineren örtlichen Jugendämtern durch Fachberatungen insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen unterstützt werden.
o Zudem mit ‘best practices’ und weiteren Informationsangeboten zum Beispiel zu Unternehmenszusammenschlüssen dafür zu werben, dass auch kleine und mittelständische Unternehmen die Möglichkeiten der betrieblichen Kindertagesbetreuung ergreifen.

  • den Zeitplan der Kibiz-Novellierung zu straffen und die im aktuellen Gesetz hinterlegte Finanzierungssystematik neu aufzusetzen.